Vorwort
Deutschland driftet nach links - Vorwort zur Neuauflage 2021
„Soweit ich sehe, ist dies das erste Buch, das die demoskopischen Daten mit Sachkenntnis voll in die Analyse einbezieht … Zahlreiche Zusammenhänge werden hier nüchtern, ohne Polemik, mit vorzüglicher Kenntnis von Personen und Fakten übersichtlich beschrieben; damit sichert dieses Buch die Kenntnis von Vorgängen der Zeitgeschichte, die drohten, nicht mehr wahrnehmbar zu sein.“ Elisabeth Noelle-Neumann, Institut für Demoskopie, Allensbach
Dieses Buch erschien erstmals 1994. Aber die darin enthaltenen Analysen sind – leider – aktueller denn je. Deshalb habe ich mich für eine Neuauflage entschieden. Das Buch, das Sie in der Hand halten, ist ein unveränderter Nachdruck jener Schrift, die ich vor fast 27 Jahren verfasst habe.
Ich zeige in dem Buch, wie Deutschland links und grün wurde, und warne vor folgenden Entwicklungen:
- Deutschland driftet nach links, die 68er haben entscheidende Schaltstellen in Medien, Politik, Universitäten und Kirchen besetzt.
- Die Grünen bestimmen immer stärker die politische Diskussion und den Zeitgeist.
- Die CDU passt sich zunehmend an Grüne und Sozialdemokraten an.
- In den Medien dominieren linke Einstellungen.
- Die SPD bewegt sich auf die PDS (so hieß damals die Ex-SED, die sich heute DIE LINKE nennt) zu und wird mit ihr Koalitionen auf Landes- und Bundesebene bilden.
- Die Political Correctness bedroht die freie Diskussion über Themen wie etwa die Zuwanderung.
- An die Stelle des antitotalitären Konsenses des Grundgesetzes tritt immer mehr ein „antifaschistischer“ Konsens, verbunden mit einem Anti-Antikommunismus.
Ich veröffentliche das Buch nicht vor allem deshalb wieder, um zu zeigen, dass ich in vielerlei Hinsicht recht gehabt habe. Lieber wäre es mir, ich hätte unrecht behalten und man könnte das Buch heute getrost vergessen. Ich veröffentliche es, um zu zeigen, was die langfristigen Ursachen dieser Fehlentwicklungen sind.
Zudem trägt das Buch vielleicht auch zur Zerstörung mancher Legenden bei. Eine dieser Legenden lautet, die CDU sei unter Helmut Kohl eine dezidiert konservative Partei gewesen und erst mit Angela Merkel habe die Vergrünung und Sozialdemokratisierung der Union begonnen. Ich habe im fünften Kapitel formuliert, mit der sogenannten Modernisierung der Union, die lange vor Angela Merkel begonnen habe, sei „im Grund jedoch nichts anderes gemeint als die Anpassung an den von 1968 geprägten Zeitgeist“.
Vor allem zeigte ich, dass die Grünen viel stärker sind, als es nach den Wahlergebnissen schien: „Bei vielen Fragen ist es heute schon so, dass die Grünen die Richtung vorgeben, dann die SPD nachzieht und schließlich die Union mit einem deutlichen Verzögerungseffekt nachhinkt.“ Als ich diese Zeilen schrieb, waren die Grünen nicht einmal im Deutschen Bundestag vertreten, da sie bei den Bundestagswahlen 1990 an der 5-Prozent-Hürde gescheitert waren. Dennoch war ich der Meinung, dass der Einfluss der Grünen erheblich sei – und weiter steigen werde.
Als Beispiele für diese These nannte ich die Debatten über die Frauenquote und die Kernenergie, bei denen sich die grünen Positionen erkennbar durchzusetzen begannen. Der Atomausstieg wurde dann in der Tat sechs Jahre, nachdem ich dies geschrieben hatte, beschlossen, nämlich unter der ersten rot-grünen Bundesregierung mit der „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000“. Auch bei der Quotenregelung sollte sich meine These bewahrheiten: Die CDU führte zwei Jahre, nachdem ich dies geschrieben hatte, tatsächlich erstmals ein „Frauenquorum“ ein.
Mein Befund damals: „Die Einwirkungen der grünen Partei gehen weit über ihre Beteiligung an Landesregierungen und die in Wahlen dokumentierten Erfolge hinaus. Entscheidender ist, dass es den Grünen immer wieder gelang, politische Themen zu besetzen und die Meinungsführerschaft in der öffentlichen Diskussion zu übernehmen. Dies konnte jedoch nur geschehen, weil sie überdurchschnittlich viele Sympathisanten in den Medien hatten und haben und weil die Reihen ihrer natürlichen Widersacher, also parteipolitisch gesehen die CDU, bereits innerlich aufgeweicht waren und maßgebende Politiker der Union entscheidende Positionen der Grünen schon übernommen hatten.“ Sätze wie diese belegen, dass viele Entwicklungen, die heute von Konservativen und Liberalen kritisiert werden, viel früher begannen, als man heute annimmt.
Ein ganzes Kapitel des Buches (VI) habe ich der Macht der Medien gewidmet. Hier heißt es, dass die 68er „in kaum einem gesellschaftlichen Bereich so erfolgreich wie bei den Medien“ waren. Nur wenn man diese Entwicklung versteht, kann man auch die Entwicklung der Parteien verstehen. Denn, so mein Argument: „Zwar entscheiden die Wähler alle vier Jahre über die Wiederwahl eines Politikers bzw. einer Partei, aber die Medien können praktisch täglich darüber entscheiden, ob Verfehlungen eines Politikers zum ‚Skandal’ werden oder nicht.“
Als Beispiel führte ich eine „bislang beispiellose Kampagne … im Juli 1993 nach einem Anti-Terroreinsatz der Spezialeinheit GSG 9 in Bad Kleinen“ an. Der „Spiegel“ und das Fernsehmagazin „Monitor“ hatten, wie ich kritisierte, „unseriös gearbeitet, sich auf offenkundig unglaubwürdige Zeugenaussagen eingelassen oder diese sogar absichtlich manipuliert, um die absurde These einer ‚Hinrichtung’ des RAF-Terroristen Wolfgang Grams zu ‚beweisen’“. Damals mussten der Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, der Vizepräsident des BKA Gerhard Köhler, Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) und weitere Personen zurücktreten. Erst 26 Jahre, nachdem ich dies geschrieben hatte, gab der „Spiegel“ öffentlich diesen schweren Fehler zu, bei dem ideologische Vorurteile stärker gewesen waren als seriöse Recherche.
Nur deshalb, weil Politiker sich oftmals mehr an Medien als an ihren Wählern orientieren, so argumentierte ich, „ist es zu erklären, dass sich Politiker beispielsweise in der Asyl- und Ausländerpolitik über viele Jahre lieber in Widerspruch zur Mehrheitsmeinung ihrer Wähler gesetzt haben, als sich in einen Gegensatz zum Medientenor zu begeben“. Mit nur wenigen Ausnahmen „bemühten sich fast alle Printmedien – und erst recht die elektronischen Medien – darum, die Probleme der massenhaften Einwanderung herunterzuspielen oder durch appellative ‚Ausländerfreundlichkeits’-Kampagnen zu überdecken“.
Heute, im Jahre 2020, wird viel über politische Korrektheit diskutiert, die immer absurdere Formen annimmt. Doch wer meint, dieses Phänomen sei erst in den vergangenen Jahren entstanden, irrt sich sehr. Schon 1994 stellte ich fest: „Denn heute ist eine ruhige und sachbezogene öffentliche Debatte, beispielsweise über Fragen der inneren und der äußeren Sicherheit unserer Republik, fast unmöglich, weil man kaum noch eine Frage stellen oder einen Gedanken aussprechen kann, ohne an die von den Wächtern der ‚political correctness’ errichteten Tabus und Denkverbote zu stoßen.“ Debatten wie etwa die über den „Umgang mit der Einwanderung“ würden „moralisiert und ideologisiert, pragmatische Lösungen werden dadurch zunehmend erschwert“. All dies sei Ergebnis der „geistig-politischen Linksverschiebung seit 1968“.
Ich war skeptisch, ob die CDU/CSU dieser Entwicklung Widerstand entgegensetzen werde. Die Zukunft der Union werde davon abhängen, ob es ihr gelinge, in den eigenen Reihen glaubwürdige Persönlichkeiten zu fördern, die für einen modernen, kritischen und national orientierten Konservativismus stehen. „Gelingt ihr dies nicht, dann werden sich diese Kräfte trotzdem formieren, aber außerhalb und möglicherweise gegen die CDU.“ Eine solche Entwicklung hielt ich jedoch nicht für wünschenswert, weil ich befürchtete, dass sich eine Partei rechts von der Mitte immer weiter nach rechts außen entwickeln werde.
Mit Blick auf die fast zwei Jahrzehnte später gegründete AfD lohnt es sich, meinen Gedankengang von damals ausführlicher darzustellen. Ich schrieb, bezüglich der Gründung einer Partei rechts von der Union sei „große Skepsis angebracht“. Die Erfahrung lehre, dass solche Projekte am Anfang auch „Weltverbesserer, Spinner und gescheiterte Existenzen“ anzögen, wie das etwa bei den Grünen der Fall war. Die Medien seien allerdings sehr nachsichtig, wenn es sich um eine linke Partei handle. Im Ergebnis würden diese Kräfte in einer eher linken Partei durch die Parlamentarisierung im Laufe der Zeit marginalisiert.
Ich argumentierte dann weiter: „Die Situation bei einer Partei, die sich rechts von der Mitte etabliert, ist eine ganz andere. Auch hier würde es sich leider wohl kaum vermeiden lasse, dass eine gewisse Anzahl Extremisten in die Partei eintritt.“ Damit entstehe bald nach außen das Bild einer extremistischen Partei, „was einerseits demokratische Kräfte abschreckt, andererseits jedoch Extremisten anzieht. Der Rechtsextremismus-Vorwurf wird zur self-fulfilling prophecy.“
Eine solche Partei werde sich immer weiter nach rechts entwickeln, sagte ich voraus. „Die Zeit … arbeitet in diesem Fall nicht für, sondern gegen eine solche Partei. Zudem entsteht ein Zweckbündnis aus antifaschistischer Linker und der CDU, denn auch die Union hat kein Interesse daran, dass sich rechts von ihr eine neue Partei bildet.“
Ich empfahl, dass die FDP, der ich mich damals angeschlossen hatte und der ich bis heute angehöre, die Lücke im Parteiensystem schließen solle, die eine immer grünere und sozialdemokratischere Union lässt. Vehement wandte ich mich dagegen, dass sich die Liberalen als „Bedenkenträger-Partei im Bereich der inneren Sicherheit“ profilierten, womit man nur potenzielle Wähler abschrecke. Ich meinte damit die Linie, die damals von FDP-Politikern wie Gerhart Baum und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vertreten wurde: „Ein Abschied von jenen linksliberalen Themen, die heute ohnehin von den Grünen glaubwürdiger vertreten werden, wäre Voraussetzung für eine neue positive Profilierung, die zugleich aber mit einem Anknüpfen an traditionelle FDP-Positionen einhergehen sollte.“
Die FDP ist diesen Empfehlungen leider nur halbherzig gefolgt. Sie verabschiedete sich zwar unter Guido Westerwelle und Christian Lindner von dem „Bedenkenträger-Kurs“ in der inneren Sicherheit à la Baum und Leutheusser-Schnarrenberger, blieb aber immer wieder auf halbem Wege in der Profilierung stehen. Themen wie etwa der Kampf für geistige Freiheit und gegen Political Correctness – ein urliberales Thema – wurden stark vernachlässigt. Meiner Meinung nach müsste die Verteidigung der geistigen Freiheit gleichberechtigt neben der Verteidigung der wirtschaftlichen Freiheit im Mittelpunkt der FDP-Politik stehen. Erfreulich ist immerhin, dass gerade jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki ein ausgezeichnetes Buch zu diesem Thema geschrieben hat. Dass die von mir vorgeschlagene Positionierung für eine liberale Partei funktionieren könnte, zeigt sehr gut das Beispiel der liberalen VVD von Mark Rutte in den Niederlanden, die eine sehr klare Haltung in der Einwanderungs- und Europapolitik hat.
Ich lag in vielen Punkten in diesem Buch leider richtig, so auch in meiner Vorhersage, dass die SPD immer stärker mit der PDS (heute: DIE LINKE) zusammenarbeiten werde. Die erste rot-rote Koalition entstand vier Jahre, nachdem ich davor gewarnt hatte, 1998 in Mecklenburg-Vorpommern unter Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD). Es folgten viele weitere Koalitionen auf Landesebene. Und heute streben namhafte Politiker von SPD, Grünen und Linken eine Koalition auf Bundesebene an, sollten sie bei den Bundestagswahlen 2021 die erforderliche Mehrheit erringen. Meine damaligen Warnungen vor einer rot-rot-grünen Koalition auf Bundesebene erwiesen sich glücklicherweise als verfrüht. Aber richtig bleibt, was ich am Schluss des Buches schrieb: „Ein Wahlsieg der vereinten Linken würde aber nicht einfach nur zu einer anderen Regierung führen, sondern zu einer anderen Republik. Es wäre dies nicht mehr die pluralistische, freiheitlich-demokratische Grundordnung, sondern eine antifaschistisch-demokratische Ordnung – eine ‚DDR light’, die jedoch für die kommunistischen Kader der PDS nur ein Übergangsstadium auf dem Weg zum Sozialismus darstellen würde.“
Zwei Schwächen dieses Buches hatte ich im Vorwort angesprochen, dass nämlich außenpolitische Themen sowie die Frage nach der „Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland“ ausgespart blieben. Nur eine Anmerkung zur Außenpolitik: Linke Kritiker haben immer wieder behauptet, ich sei ein Kritiker der Westbindung. Das kann man sogar in Wikipedia lesen. Belege dafür fehlen indes, denn die gibt es nicht. Im Gegenteil: Ich hatte hier, wie auch an vielen anderen Stellen, klar geschrieben: „Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes … gewinnt die Einbindung unseres Landes in das westliche Bündnis erneut an Wichtigkeit, weil sich durch die Rückkehr in die alte Mittellage neue Unsicherheiten für Deutschland ergeben. Nur die Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten kann uns davor bewahren, dass aus unserer neu-alten Lage wieder eine Isolation Deutschlands resultiert.“
Auch das Thema Wirtschaft ist in dem vorliegenden Buch zu kurz gekommen. Fragt man mich, welche Fehlentwicklungen ich heute sehe, dann liegen sie genau in diesem Bereich. Deutschland verabschiedet sich zunehmend von der Marktwirtschaft. In immer mehr Bereiche mischt sich der Staat massiv ein. Die Energiewirtschaft wurde im Namen einer sogenannten Energiewende bereits zu einer ineffizienten Planwirtschaft umgestaltet. Der Mietmarkt wird zunehmend reguliert. Besonders gefährlich ist, dass nun auch die Automobilwirtschaft planwirtschaftlich umgestaltet werden soll: Nicht mehr die Unternehmen und die Konsumenten bestimmen, welche Autos produziert werden, sondern faktisch wird dies in Brüssel mit sogenannten Flottenzielen anhand des Kriteriums der CO2-Emissionen festgelegt.
Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit sehe ich eine Bedrohung für den Kapitalismus und eine Renaissance sozialistischen, planwirtschaftlichen Denkens. Auch nach dem Zusammenbruch der meisten sozialistischen Systeme Anfang der 90er-Jahre wird regelmäßig erneut irgendwo auf der Welt versucht, die sozialistischen Ideale umzusetzen. „Dieses Mal“ soll es besser gemacht werden. Zuletzt geschah das in Venezuela, und wieder einmal waren viele Intellektuelle in den westlichen Ländern wie den USA oder Deutschland verzückt von dem Experiment, den „Sozialismus im 21. Jahrhundert“ zu verwirklichen. Die Folgen des Experiments waren – so wie bei anderen vorangegangenen sozialistischen Großversuchen – katastrophal.
Sogar in den USA träumen heute viele junge Menschen vom „Sozialismus“, wenngleich sie damit nicht ein System wie in der Sowjetunion meinen, sondern eine verklärte und missverstandene Form des skandinavischen Sozialismus. Dabei ist auch diese Variante in den 70er- und 80er-Jahren in Schweden gründlich gescheitert.
Sorge bereitet mir weniger, dass in den nächsten Jahren in westlichen Industrieländern im großen Stil Verstaatlichungen vorgenommen werden könnten und ein offen sozialistisches System eingeführt würde. Viel gefährlicher ist, dass in westlichen Ländern der Markt Stück für Stück zurückgedrängt wird und der planende und umverteilende Staat eine immer wichtigere Rolle spielt. Die Zentralbanken führen sich wie Planungsbehörden auf, die ihre Aufgabe nicht mehr darin sehen, die Geldwertstabilität zu garantieren, sondern die Marktkräfte zu beseitigen. In Europa hat die Zentralbank den für die Marktwirtschaft entscheidend wichtigen Preismechanismus teilweise außer Kraft gesetzt, weil echte Marktzinsen praktisch abgeschafft wurden. Die maßlose Verschuldung der Staaten wurde dadurch nicht eingedämmt, sondern sogar noch erheblich verstärkt.
„Je länger die Phase der niedrigen Zinsen andauert“, warnt der Ökonom Thomas Mayer, „desto stärker werden die Preise für Vermögenswerte verzerrt und desto größer ist die Gefahr, dass der Ausstieg aus der Politik der niedrigen Zinsen einen erneuten Einbruch der Wirtschaft und eine weitere Finanzkrise zur Folge hat.“ Diese Krisen, das kann man mit Sicherheit vorhersagen, werden von Politikern und Medien dann dem „Kapitalismus“ zugeschrieben, obwohl sie in Wahrheit gerade aus einer Verletzung kapitalistischer Prinzipien resultieren.
Als Sündenböcke für Fehlentwicklungen müssen vor allem „die Reichen“ herhalten, denen von Politik und Medien die Schuld gegeben wird. Hierüber habe ich ausführlich in meinem Buch „Die Gesellschaft und ihre Reichen“ geschrieben, in dem ich empirisch belege, dass Sozialneid in Deutschland (und auch in Frankreich) besonders stark ausgeprägt ist.
Wenn die Diagnose für die Ursachen gesellschaftlicher Fehlentwicklungen falsch ist, dann ist auch die Therapie falsch. Und diese Therapie heißt: Noch mehr Staat, noch weniger Markt. Früher haben die Sozialisten die Unternehmen einfach verstaatlicht. Heute wird die Planwirtschaft nicht mehr durch Verstaatlichungen eingeführt, sondern dadurch, dass die Politik den Unternehmen immer stärker hineinredet und sie durch Steuerpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Regulierung, Subventionen, Ge- und Verbote ihrer Handlungsfreiheit beraubt.
All dies ist nur möglich, weil viele Menschen einfach nicht wissen (oder vergessen haben), dass die Marktwirtschaft die Basis unseres Wohlstandes ist. Viele junge Menschen kennen sozialistische Systeme, wie sie bis Ende der 80er-Jahre in der Sowjetunion und in den Ostblockstaaten herrschten, nur noch aus den Geschichtsbüchern – wenn überhaupt. Kapitalismus oder freie Marktwirtschaft sind zu Negativbegriffen geworden.
Diese Themen habe ich ausführlich in meinem Buch „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“ behandelt, das insofern eine wichtige und aktuelle Ergänzung des vorliegenden Buches ist. Ich hoffe, ich behalte mit meinen Sorgen über eine Renaissance der Planwirtschaft nicht ebenso recht wie mit den Befürchtungen, die ich in dem vorliegenden Buch artikuliert hatte.
Natürlich würde ich manches heute anders formulieren, als ich es in dem vorliegenden Buch getan habe. Es sollte einem Menschen auch zu denken geben, wenn er sich in mehr als einem Vierteljahrhundert nicht weiterentwickelt. Trotzdem habe ich das Buch nicht verändert, denn sonst hätte ich mich mit Sicherheit dem Verdacht ausgesetzt, manche Prognosen im Wissen um die spätere Entwicklung angepasst zu haben. Daher habe ich in diesem Buch kein einziges Wort geändert, denn so bleibt es ein Dokument, das belegt, dass viele Entwicklungen durchaus vorhersehbar waren, und das es uns ermöglicht, zu verstehen, wie Deutschland links und grün wurde.
Rainer Zitelmann, Dezember 2020
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